Die TV-Bilder des Morgens mit den endlosen Schlangen – potentielle Teilnehmer des sich vor den Augen der Welt abspielenden Kennedy-Moments unserer Generation – sind ermutigend. Sogar die schrulligen Dörfler in Doxville/Notch im entlegenen New-Hampshire-Bergland wählten Obama. Per Landslide: 15 zu 6 Stimmen. Durch den TV-Konsum im Hotelzimmer würde ich das jedoch alles nicht so wirklich mitbekommen: Von den Newskanälen ist nur “Fox” erhältlich. Kein CNN, kein MSNBC. Das kann auch nur mir passieren! Am Ground Zero der Geschichte, und Fox im Hotel…
Obama-Fan: „Nie dachte ich, dass ich diesen Moment erlebe…“
Als die strammen Fox-Anchors gerade Szenarien durchkauen, wie McCain noch siegen kann, trete ich die Flucht an für eine Inspektion des Areals der Party des Jahrhunderts. Der “Grant Park” ist der “Central Park” Chicagos, eine gewaltige Grünfläche mit der spektakulären Skyline als Kulisse. Eine Million Obama-Fans werden hier am Abend erwartet. Noch ist es gespenstisch still: Die Ruhe vor dem Sturm. Die meisten Straßen sind aus Sicherheitsgründen längst gesperrt. Es herrscht “Obama-Wetter”, wolkenlos, spätsommerlich warm. 24 Grad Celsius sind heute vorhergesagt. Neben dem Wettergott setzt auch Wall Street offenbar auf Obama: Der Dow fetzte 300 Punkte nach oben.
“Ich möchte mich nicht dauernd bei Trips außerhalb der USA als Kanadier ausgeben müssen”, sagt Dan Cote, 24. Obama werde endlich Amerikas Image in der Welt reparieren. Seine gleichaltrige Freundin, Rebecca Wexler, hängt am Arm, sie hat einen Obama-Button an der Weste. Ihre Generation könne gar nicht erwarten, endlich einen aufregenden Präsidenten im Oval Office zu haben, sagt Rebecca.
Linda Hawk, 49, eine Afroamerikanerin schlendert wie viele andere den Absperrungszaun entlang. Die Stadtverwaltung versucht verzweifelt den Massenandrang zu bewältigen. Der Park wurde in Zonen filetiert: Für die 60.000 mit Ticket und Overflow-Zonen, wo Hunderttausende weitere auf Videoscreens der Geschichte beiwohnen können. Linda zuckt zusammen, als ich sie frage, ob sie fest an einen Obama-Sieg glaubt. “Sicher”, schießt es raus. Sie blickt mich ängstlich an, denkt wohl: “Weiß der was, was ich nicht weiß?” Ich beruhige sie. Niemals, und jetzt werden ihre Augen feucht, dachte sie, jemals diesen Moment erleben zu können. “Das wird heute die Party unseres Lebens!”, sagt sie.