Barack Obama bereitet sein Team für den Wahlkampf vor. 2012, that is! Die Zeit des Regierens, Reformierens, des Change-n, des Hope-n ist offenbar vorbei. Wahlgekämpft wird wieder. 32 Monate lang. Ein Jahr ist es her, als 1,8 Millionen bei – 7 º C auf der Washingtoner Mall froren, jubelten, träumten, hofften. Und sich alle Experten einig waren, dass die „historische Konstellation“ für einen Kurswechsel des US-Supertankers einmalig sei: Ein junger, dynamischer, superpopulärer, kennedyesquer Präsident mit einer ehrgeizigen Change-Agenda inmitten einer tiefen Krise, die stets die Chance für große Würfe bot. Dazu eine Supermehrheit im Kongress.
Ein Jahr, hieß es, habe er nun alle Chancen, das Fundament für nachhaltigen Wandel zu legen. Es kam leider anders. Die Bilanz ist deprimierend, Amerika scheint tatsächlich unfähig, die großen Herausforderungen der Zukunft anzunehmen. Obamistan.
Nur ein paar Stichworte: Obama hält seinen “Health Care Summit” am Donnerstag ab. Gutes Live-TV-Theater. Seine eigene Partei ließ ihm bereits vorab ausrichten, dass sein jüngster Kompromissvorschlag – eine Art Kompromiss zwischen vorigen Kompromissen – auf keinerlei Kompromissfähigkeit im Repräsentantenhaus stoßen dürfte. Übersetzt: Dead.
Dabei hätte er das Kernstück seiner Reform-Agenda bereits im Herbst unterschreiben wollen. Was für ein vergeudetes Jahr: Im Getöse der aufgeregten News-TV-Kanäle wurde jeder Irrsinn flächendeckend verbreitet – von Sarah Palins Todes-Kommissionen zur staatlichen Exekution von Granny bis zur Steuer auf Bräunungsbetten (die jetzt wieder in der NY Post auftauchten). Obamacare! Sozialisierte Medizin! Ahhhhhh!
Wenigstens schaffte es jetzt die Story der Anthem-Gesundheitsversicherung in Kalifornien in die Hyperventilationsanstalten: 35 % knallten die die Prämien rauf. Und hatten neben normaler Profitgier sogar einen einleuchtenden Grund: Kassen klappen nur mit einem Mix aus gesunden und kranken Klienten. Doch die Gesunden wollen (können) sich die horrenden Prämien nicht mehr leisten, der Versicherer bleibt mit den teueren, medizinisch zu betreuenden Kunden zurück. Und jede Prämien-Erhöhung treibt weitere gesunde Polizzen-Halter in die Flucht. “Versicherer-Todesspirale”, nannte Krugman das Phänomen.
Doch wer will Obamas Warnungen schon hören: Die explodierenden Prämien und die 45 Millionen unversicherten, Notaufnahmen Stürmenden treiben amerikanische Firmen, Bürger und den Staat in den Bankrott. Ich weiß: Gähn! Als Obama einst bei einer Pressekonferenz 55 von 57 Minuten über dieses Problem redete, doch am Ende eine Frage über die Verhaftung eines schwarzen Harvard-Professors kritisch beantwortete, darf geraten werden, wie am nächsten Morgen die „Today Show“ aufmachte. Als er dann Prof. und Cop zum „Biergipfel“ lud ging es am Ende nur mehr darum, wer welchen Gerstensaft schlürfte. Soviel zum Tiefgang des amerikanischen TV-Journalismus. Case and point: Click here!
Der Kongress hat unter der “Führung” von Pelosi und Reid den letzten Rest an Glaubwürdigkeit verspielt: Außer dem Konjunkturpaket wurde keine einzige Obama-Initiative durchgebracht. Klima? Wall-Street-Reform? Bitte warten. Vielleicht auf die nächste “historische Chance” in 50 Jahren. Selbst Veteranen haben so einen Stillstand noch nicht erlebt. Lobbyisten mit großer Kriegskassen machen die ohnehin oft rückgratbefreiten Abgeordneten zu Marionetten. Simple Reformentwürfe werden bis oft zur kompletten Pervertierung verwässert – und versanden dann ohnehin im byzantinischen Regelwerk des Kapitols. Zehn Prozent sind mit der Kongress-Arbeit inzwischen zufrieden. Dick Cheney war da vergleichsweise hochpopulär.
Und Obama? Seine Rhetorik und Visionen sind weiter berauschend. Abgehakt auf der Reform-Liste: So zirka Nix. Klar sind wir alle ungeduldig: Doch es zeichnet sich bisher nicht ab, dass er in Kürze Tritt fasst, eine Formel findet, seine Reformprojekte durchzuboxen. Die Status-Quo Geithner und Summers bleiben dazu Top-Berater. Vielleicht sind auch sie inzwischen „too big too fail“. Gerade wehrten sie einen “Putsch” von Paul Volcker ab, der das Finanz-Casino an die Kandare nehmen hatte wollen. Was bleibt, ist wieder mal nur die präsidiale Erregung über die Gierbanker. Perfekt passt da die Meldung, dass die Boni in 2009 um 17 % auf über $20 Mrd. stiegen. Nur in New York.
Ich kriege immer noch die Mails von Obamas Wahlkampf-Manager David Plouffe in die Box: “Organising for America”. Die Obama-Fans sollen weiter mobilisiert werden. “Whatever”, murmle ich beim trashen.