Michael Moore vor dem NYSE: „Let me in, it´s only me…“


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Publicity ist keine schlechte Sache, deshalb kann sich der Provokateur-in-Chief der US-Liberalen, Michael Moore, eigentlich fast freuen. Wall Streets TV-„Sprachrohr“ CNBC lud den in jeder Hinsicht gewichtigen Kapitalismuskritiker zu einem Interview ein (was den Kanal ehrt!). Doch: Die Gebäudeverwaltung der New Yorker Börse erteilte Moore „Hausverbot“. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass er für seine Doku „Capitalism: A Love Story2008 den Börsen-Block mit gelben Polizei-Tatortbändern umwickelte und per Megafon die Rückgabe des „Diebesguts“ einverlangte.

Laut Moores Twitter-Eintrag hätten die Macher des NYSE – mit einer Selbstverständlichkeit, die sich Größen der Hochfinanz gerne zu eigen machen – sogar den Dreh auf dem Bürgersteig vor dem Säulengebäude untersagt. Ja genau, Bürgersteig… Alles relativ. Moore twitterte, dass er Montag um 11 Uhr auf die CNBC-Kameras warten würde. Deshalb steht eine Menschentraube um ihn an der Ecke Wall Street/Broadway, als ein CNBC-Producer erklärt, dass wegen der begrenzten Kabellänge zum Ü-Wagen nicht vor dem Börsengebäude gefilmt werden könne. Moore zeigt sich nicht besonders beeindruckt über die technischen Kapazitäten des Senders.

Als ein Touri-Bus vorbeirollt. sagt der Stadtführer per Megafon: „And here on the left you can see Michael Moore…“ Fast alle klatschen am Oberdeck. Michael Moore, nun offiziell eine New Yorker Sehenswürdigkeit.

Er gibt das Interview dennoch, verbreitert sich süffisant über das Hausverbot: „Come on let me in, it´s onyl me…“ Er führt aus, wie die Banker hier weiter „sowjetischen Kapitalismus“ betreiben, wo kein wirklicher Wettbewerb gefragt ist und sich eine kleine Gruppe auf Kosten aller bereichere. Dann marschiert Moore mit einer Gruppe an Fans und vor laufenden iPhones doch noch die Wall Street runter. „Vor drei Jahren haben Sie hier Tatort-Bänder verlegt, warum ließ der Volkszorn so lange auf sich warten?“, will ich von Moore wissen: „Nun ja, mitunter brauchen wir eben eine Weile…“, ist es ihm fast peinlich. Ob er Genugtuung verspüre, sich als Faktor bei der Entstehung der Protestwelle sehe? „Die Bewegung gehört allen, ich habe keinen Verdienst daran“, gibt er sich bescheiden. Doch wie es genau weiter geht, kann er auch nicht sagen: „Es wird sich zeigen…“

Die Traube blockiert den engen Gehweg: Seit dem Beginn der „Occupy“-Demos sind die Blocks rund um die Börse eine aberwitzige Sperrzone. Eigentlich mit äußerst symbolhaften Flair: Polizeibarrikaden alle zehn Meter, Fußgänger werden durch schmale, von Gitterabsperrungen abgrenzte Gehwege wie eine Vieherde geschleust. Vor den Prunksäulen des NYSE-Gebäudes stehen eine paar Broker in ihren bunten Westen bei der Rauchpause. Recht einsam und belagert müssen sie sich vorkommen.

Moore sieht ein, dass er der Grund des Fußgängerstaus ist und zieht weiter. Jetzt haben ihn sogar einige chinesische Touristen erkannt: Sie stellen sich zu den typischen Urlauberfotos auf, doch mit Moore im Hintergrund statt der weltberühmten Börse.

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